Die Sicherheit auf der Baustelle
In dieser Ausgabe widmen wir uns den Funktionen und Aufgaben, die der Gesetzgeber dem Bauherrn oder der Bauherrin im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes auferlegt hat. Der Gesetzgeber ist sinnvoll und nachvollziehbar vorgegangen: Anders als die bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts angewandten Maßnahmenvorschriften (ein Gerüstbrett muss 4m lang, 20 cm breit und 4 cm dick sein, und im Abstand von 1,80m ein Auflager aufweisen), die schon damals nicht mehr zeitgemäß waren, erließ der Gesetzgeber (zuerst auf europäischer Ebene, dann in Italien) „Schutzzielformulierungen“. Wenn ich erneut das Beispiel des Gerüstbrettes nenne, wird grundsätzlich nicht mehr die Brettqualität festgelegt, sondern es werden Anforderungen angeführt, denen der Gerüstbelag entsprechen muss.
Der europäische Gesetzgeber, an den sich die Mitgliedstaaten der europäischen Union anpassen müssen, prüft für den Arbeits- und Gesundheitsschutz die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen praxisnah an Modellbaustellen. Das aktuelle Regelwerk bildet seit 2008 der Einheitstext über den Arbeits- und Gesundheitsschutz und ist als gesetzesvertretendes Dekret vom 9. April 2008 Nr.81 registriert. Wir geben daher die vom Gesetz vorgesehenen Aufgaben für den/die Bauherr/in auszugsweise im originalen Wortlaut wieder und fügen die entsprechenden weiterführenden Erläuterungen an. Dabei ist es notgedrungen aus Gründen der Übersichtlichkeit und Kompaktheit der Darstellung erforderlich, manche Vereinfachung an Konzepten und juridischen Prinzipien vorzunehmen, welche natürlich nicht immer auf jeden Fall und jeden Sachverhalt unmittelbar anzuwenden geht.
Der Arbeitsunfall
Der Gesetzgeber definiert den Arbeitsunfall als einen Unfall einer in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Person infolge einer den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Ein Unfall wiederum ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt.

Damit die gesetzlichen Bestimmungen aber auch in den korrekten sozio-ökonomischen Kontext gestellt werden können, stellt die Rechtsprechung bei jedem Unfall oder Schaden den dafür Verantwortlichen fest. Wenn es sich um Handlungen oder Unterlassungen von Menschen handelt, führt dies zur strengen Anwendung des Kausalitätsprinzips. Das ist die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen dem menschlichen Handeln (oder Unterlassen, wie es bei Arbeitsschutzmaßnahmen eher vorkommt) und den schädigenden Folgen des Ereignisses (Unfall). Aus dieser „Unfallrekonstruktion“ ergibt sich eine Folge von Umständen, die den Unfall verursacht haben und der Personen zugeordnet werden können. Dieses „Verursacherprinzip“ führt dazu, dass auch dem/der Bauherr/in (= jene Person, welche die Bauinitiative ergreift) eine Mitschuld an einem Arbeitsunfall zugeordnet werden kann. Dies kann darin bestehen, dass zu straffe Bauzeiten vorgegeben werden, dass in der Baustellenorganisation (die ja nicht vom einzelnen Handwerker allein erfolgt) sich plötzlich (zu) viele Beschäftigte auf der Baustelle befinden, die sich gegenseitig behindern. Im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der sogen. „Soziallasten“ zwischen Bauherr/in und ausführenden Unternehmen geht der Gesetzgeber daher davon aus, dass die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen nicht mehr allein und ausschließlich Zuständigkeit und Verantwortung der Unternehmen und Handwerker sein kann, sondern auch den/die Bauherr/in betreffen. Da dieser aber in den seltensten Fällen selber ein Fachmann aus dem Bauwesen ist, bedient er sich eines qualifizierten Sicherheitskoordinators und bei Bedarf eines Verantwortlichen für die Bauarbeiten.
Bauherr und Verantwortlicher der Arbeiten
Die Aufgaben des Bauherrn oder des Verantwortlichen für die Arbeiten werden vom Gesetzgeber wie folgt beschrieben:
Verantwortlicher der Arbeiten: die Person, die vom Auftraggeber beauftragt werden kann, die Aufgaben auszuführen, die ihm von diesem Dekret zugeschrieben werden.
Der Sinn dieser Unterscheidung zwischen Bauherrn und einem Verantwortlichen der Bauarbeiten (was nicht zu verwechseln ist mit dem Bauleiter, der gänzlich andere Aufgaben hat), erschließt sich erst nach Durchsicht der Aufgaben, welche das Gesetz für den Bauherrn vorsieht. Durch die Ernennung eines Verantwortlichen der Bauarbeiten kann sich der Bauherr einzelner Verpflichtungen entledigen. Dies kann insbesondere im Hinblick auf die mit der Erfüllung der Verpflichtungen verbundenen strafrechtlichen (Geld- und/oder Haftstrafen) und zivilrechtlichen (Schadenersatz) Folgen ein wesentliches Entscheidungskriterium sein.
Eine Auflistung der Schutzmaßnahmen ist hier nicht erforderlich, wesentlich ist darauf hinzuweisen, dass bereits im Zuge der ersten Planungsentscheidungen schon die Überlegungen hinsichtlich der baustellentechnischen und –organisatorischen Anforderungen mit einfließen. In der Praxis behilft man sich zumeist damit, dass die Entwürfe auch dem Sicherheitskoordinator zur Durchsicht übermittelt werden.
Auf Baustellen, auf denen die Anwesenheit, eventuell auch nicht zur gleichen Zeit, von mehreren ausführenden Unternehmen vorgesehen ist, beauftragt der Bauherr oder der Verantwortliche der Arbeiten gleichzeitig mit der Auftragserteilung zur Planung des Bauwerks einen Sicherheitskoordinator in der Planungsphase und in der Ausführungsphase.
Der Bauherr oder der Verantwortliche der Arbeiten teilt den beauftragten Unternehmen und den Selbständigen den Namen des Sicherheitskoordinators in der Planungsphase und in der Ausführungsphase mit. Diese Namen sind auf der Baustellentafel anzugeben.
Dies ist eine der wichtigsten Verpflichtungen des Bauherrn. Die „kostensparende Lösung“, keinen Sicherheitskoordinator zu ernennen und nur dann tätig zu werden, wenn ein Überwachungsorgan eine Übertretung feststellt, ist nicht empfehlenswert. Auf die Unterlassung dieser Verpflichtung steht eine empfindliche Geldstrafe und sogar Haftstrafe an. Außerdem wird die Baustelle solange eingestellt, bis ein Sicherheitskoordinator ernannt und dieser seine Pläne erstellt hat.
Auf Baustellen, bei denen eine kurze Bauphase von 200 Mann-Tagen vorgesehen ist, und keine besonderen Risiken vorhanden sind, gilt die Pflicht als erfüllt, wenn die Ausführenden eine Bestätigung über die Einschreibung in die Handels-, Industrie- und Handwerkskammer und die Sammelbescheinigung der ordnungsgemäßen Beitragslage vorgelegt wird.
Weiters sieht das Gesetz vor, dass die ausführenden Unternehmen eine Erklärung über den durchschnittlichen Stellenplan vorlegen. Dieser listet nach Qualifikation, mit Anführung der Eckdaten der Meldungen der Arbeitnehmer beim Nationalinstitut für Soziale Fürsorge (NISF), beim Nationalen Institut für Versicherung gegen Arbeitsunfälle (INAIL) und den Bauarbeiterkassen, sowie eine Erklärung bezüglich des für die Arbeitnehmer angewandten Kollektivvertrages, der von den repräsentativsten Gewerkschaftsverbänden ausgearbeitet wurde. Auf Baustellen, deren Arbeiten voraussichtlich weniger als 200 Mann-Tage betragen und keine besonderen Risiken ist die Voraussetzung gemäß vorhergehendem Satz als erfüllt zu betrachten, wenn die Unternehmen die Sammelbescheinigung der ordnungsgemäßen Beitragslage, zum Gesetz erhoben und die Eigenerklärung über den angewendeten Tarifvertrag einreichen.
Da es sich hier um besondere Anforderungen handelt, wird empfohlen, sich hierfür an den Sicherheitskoordinator zu wenden; auch manche Planer und Bauleiter verfügen über entsprechende Kenntnisse, jedenfalls aber müssen diese Punkte in den Werkverträgen mit den einzelnen Unternehmen und Handwerkern berücksichtigt sein.

Auch diese Aufgabe übernimmt in vielen Fällen praktischerweise der Bauleiter, welche jedenfalls die Baubeginnmeldung im Bauamt der zuständigen Gemeinde abgibt.
Auch die Übermittlung der Vorankündigung ist somit eine Aufgabe des Bauherrn und nicht des Sicherheitskoordinators, auch wenn dieser in der Praxis diese Verpflichtung erledigt. Da aber die möglichen Folgen einer nicht erfolgten, unvollständigen, verspäteten oder nicht den Formvorschriften genügenden Vorankündigung den Bauherrn und nicht den Sicherheitskoordinator treffen, muss hier ein wesentliches Augenmerk darauf gelegt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Arbeiten von steuerlichen Begünstigungen wie Absetzbeträge für energetische Sanierung oder Instandhaltungsarbeiten an Gebäuden betroffen sind.

Diese gesetzliche Vorgabe bezieht sich besonders auf die sogen. Mittelverfügung hinsichtlich der Aufgaben des Bauherrn bzw. Verantwortlichen der Arbeiten, sofern mit der Erfüllung der Verpflichtungen auch finanzielle Ausgaben verbunden sind, welche vom Bauherrn freigegeben werden müssen. Jedenfalls aufrecht bleibt die zeitgerechte Informationspflicht zulasten des Verantwortlichen der Arbeiten.
Diese Verpflichtung bezieht sich auf die Notwendigkeit, dass sich der Bauherr nicht lediglich darauf beschränkt, einen Sicherheitskoordinator zu ernennen, sondern er muss auch kontrollieren, ob der Sicherheitskoordinator seinen Aufgaben nachkommt. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Bauherr selber der Fachmann für Sicherheitspläne sein muss, aber zumindest die Vorlage des Planes muss er verlangen, ebenso wie den Nachweis darüber, dass der Sicherheitskoordinator während der Bauphase seinen Kontrollverpflichtungen nachkommt, indem er beispielsweise Protokolle verfasst und auch dem Bauherrn übermittelt. Und auch auf diese „Unterlassung“ der Überprüfung steht zulasten des Bauherrn Geld- und sogar Haftstrafe.
Durch diese schematische Darstellung kann man sich verhältnismäßig schnell einen Überblick über die verschiedenen Aufgaben und Pflichten des/der Bauherr/in verschaffen.
Trotzdem ist es empfehlenswert, sich frühzeitig und mit dem Thema auseinanderzusetzen. Eine Unterschätzung oder eine Überbewertung der vermeintlichen Einsparung hat sich schon zu oft und zu sehr ins Gegenteil verkehrt.
Baufuchs 2019
Fachautor
Gert Fischnaller
Gemoeter und Jurist
Bruneck
